Robert Blüthner

Leipzig, am 17. April 1904

Das Gespräch mit dem Kunden war vorbei und jetzt stand Robert Blüthner wieder allein im Büro seines Vaters. Er blickte sich um. Ein Büro, das bald seins werden würde. Er atmete tief durch und musterte die Rechnung in seiner Hand. Die erste Rechnung, die er selbst unterzeichnet hatte. Ein Blüthner Flügel Modell 4A mit dem bahnbrechenden Aliquot Patent, soeben verkauft zu einem Preis von 4.310 Reichsmark, heute am 17. April 1904. Der Wievielte es sein mochte? Er betrachtete den opulent verzierten Rechnungskopf, zahlreiche Ehrentitel und erste Preise bei Leistungsschauen schmückten den Beleg: 1855 Merseburg, 1867 Paris, 1867 Chemnitz, 1880 Cassel, 1873 Wien, 1876 Philadelphia, 1878 Puebla, 1880 Sydney, 1881 Melbourne, 1883 Amsterdam, 1889 Melbourne, 1894 Antwerpen, 1897 Guatemala & Leipzig.

Blüthner Flügelsaal um 1900

Flügel-Auswahlsaal in der Blüthner Pianofortefabrik

Robert setzte sich. Leipzig. Von hier aus war sein Vater vor fünfzig Jahren in die Welt gestartet. Hatte sich Kunden wie Königin Victoria, Zar Nikolaus den II., den Dänischen König, den Deutschen Kaiser, den Türkischen Sultan erarbeitet. Und natürlich den König von Sachsen. Von hier aus hatte er Niederlassungen in England gegründet, in Leutzsch ein Sägewerk und ein Dampfwerk gebaut. Was wohl das wahre Geheimnis seines Erfolgs war? Und ob er, Robert, mit seinen Brüdern Bruno und Max das Unternehmen so erfolgreich weiterführen würde, wie es ihnen der Vater vorgelebt hatte? Die Zeit würde es zeigen, das neue Jahrhundert war ja noch jung.

Er legte die Rechnung zu seinen Unterlagen und überlegte, ob er jetzt nach Hause gehen sollte – es war immerhin kurz nach neunzehn Uhr. Der Gedanke weilte nur kurz, dann setzte sich Robert an den Schreibtisch seines Vaters und fing an.

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